Juni 2016

Identifizierung bei Prepaid-Nutzern von Mobilfunkgeräten

Der Handelsverband Deutschland HDE und der Prepaid Verband Deutschland e.V. (PVD), Branchenverband der Prepaid- und E-Geld-Industrie, setzen sich für eine sichere, verbraucherfreundliche und wirtschaftlich angemessene Lösung bei der geplanten Identitätsprüfung von Prepaid-Mobilfunknutzern ein. Hierbei ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Erhebung und Prüfung der Identität des Nutzers stattfindet. Aus unserer Sicht kann dies nur vor Freischaltung der Karte sein und nicht bereits beim Kauf in der Verkaufsstelle. Dies wäre in der Praxis nicht darstellbar und würde Geschäftsabläufe vor Ort in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen.

Hintergrund

In seinem Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung vom 13. April 2016 hat der Koalitionsausschuss beschlossen, Anbieter und Händler von Mobilfunkgeräten oder SIM-Karten dazu verpflichten zu wollen, „auch bei Prepaid-Nutzern von Mobilfunkgeräten stets ein gültiges Identitätsdokument mit vollständigen Adressangaben zu verlangen“. Am 1. Juni 2016 hat das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf „zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ verabschiedet. Bereits heute sieht §111 Telekommunikationsgesetz (TKG) die Erhebung und Speicherung von persönlichen Daten des Anschlussinhabers vor, verzichtet aber bewusst auf einen Identitätsabgleich mittels Überprüfung von Ausweisdokumenten.

Beim Abschluss von Mobilfunkverträgen mit einem Telekommunikationsanbieter erhebt dieser die Daten seines Vertragspartners und verifiziert sie auch. Bei der Nutzung von Mobilfunkgeräten auf vorausbezahlter Guthabenbasis (Prepaid-Karten) ist es allerdings teilweise möglich, die SIM-Karte ohne Erhebung von persönlichen Daten zu erstehen, beispielsweise an der Supermarktkasse oder in der Tankstelle. Die Datenerhebung findet dann zu einem späteren Zeitpunkt vor Freischaltung der SIM-Karte per Hotline oder im Internet statt, wobei jedoch nicht immer alle vom Anschlussinhaber gemachten Angaben garantiert korrekt sind.

Einerseits werden staatlicherseits daher Verschärfungen der geltenden Rechtslage und eine damit einhergehende Verifizierung der Kundendaten gefordert, um ein vollständiges Datenregister zu erhalten, auf das bei der Aufklärung von Straftaten zurückgegriffen werden soll. Andererseits wird die konsequente Abschaffung §111 TKG angeregt, um auch weiterhin eine anonyme Kommunikation, beispielsweise für Journalisten oder medizinische Beratungsleistungen, zu ermöglichen. Der Nutzen solcher Daten für die Strafverfolgung sei demzufolge zweifelhaft, da Kriminelle bei der Planung von Straftaten oder terroristischen Angriffen höchstwahrscheinlich mit gefälschten Ausweisdokumenten bzw. Strohmännern agieren oder sich eine SIM-Karte im unregulierten Ausland besorgen. Hinzukommt, dass auch nach Einführung einer Identitätsprüfungspflicht im Prepaid-Bereich zahlreiche weitere Möglichkeiten anonymer Kommunikation bestehen, etwa via IP-Telefonie (Skype, Facetime, WhatsApp etc.), der sich die von den Strafverfolgungsbehörden observierten Nutzer bedienen werden. Vor diesem Hintergrund sprechen sich HDE und PVD für die Prüfung und Schaffung solcher Terrorabwehrmaßnahmen aus, die lückenlos und mindestens europaweit zu greifen geeignet sind. Der vorgelegte Gesetzesentwurf bleibt weit hinter dieser Anforderung zurück. Er behindert Nutzer in Deutschland angesichts ansteigender Entgelte und Aufwände vor Freischaltung der Karte in ihrer Kommunikation, impliziert Wettbewerbsnachteile für deutsche Anbieter und trägt nicht zur Verbesserung der Sicherheit bei.

Verkaufsstelle kein geeigneter Ort zur Identitätsprüfung

Ungeachtet der Grundsatzdebatte um den tatsächlichen Nutzen einer Erhebung und Verifizierung von persönlichen Daten des Anschlussinhabers plädieren die Verbände dafür, einen möglichen Abgleich von Identitätsdokumenten keinesfalls am Point of Sale stattfinden zu lassen. Die Verkaufsstelle, häufig eine Discounter-Kasse, eine Tankstelle oder ein Lebensmittelgeschäft mit hoher Kundenfrequenz, ist der falsche Ort um Kundendaten zu erheben und aufzubewahren. Zum einen werden die Abläufe im Geschäft erheblich beeinträchtigt, wenn jeder Käufer einer Prepaid-SIM-Karte zeitaufwändig an der Kasse zu identifizieren ist. Zum anderen muss der Käufer sensible persönliche Daten preisgeben, die dann vom Händler zu speichern, aufzubewahren und an den Telekommunikationsanbieter weiterzuleiten sind. Hierfür sind weder die Handelskassen noch die Tankstelle geeignete Orte oder entsprechend ausgerüstet. Der Aufwand wäre unangemessen hoch und dadurch unwirtschaftlich.

Eine verpflichtende Erhebung der Käuferdaten bei vorausbezahlten SIM-Karten bereits an der Verkaufsstelle ist darüber hinaus als unverhältnismäßig abzulehnen, da sie kaum zusätzlichen Nutzen gegenüber einer Identifizierung unmittelbar vor Freischaltung der SIM-Karte mit sich bringt. Im Gegenteil: Aufgrund des Zeitdrucks an den Kassen oder des zu erwartenden Mehraufwandes insbesondere für kleinere Verkaufsstellen ist es wahrscheinlich, dass viele Händler Prepaid-SIM-Karten aus dem Sortiment streichen werden. Dies würde insbesondere die große Anzahl jener Anbieter treffen, die keine eigenen Ladengeschäfte in Deutschland unterhalten und somit viel stärker auf die Zusammenarbeit mit Distributoren angewiesen sind. Eine verpflichtende Erhebung persönlicher Daten am Point of Sale würde also zu einem enormen Wettbewerbsnachteil für Mobilfunkanbieter führen, die sich mit ihren Angeboten nicht auf das Abschließen von langfristigen Kundenverträgen spezialisiert haben.

Der vorgelegte Gesetzentwurf teilt diese Bedenken und trägt ihnen insofern Rechnung, als dass er keine verpflichtende Identifizierung am physischen Point of Sale vorsieht, was wir ausdrücklich begrüßen.

Lösung: Identitätsüberprüfung vor Freischaltung der SIM-Karte

Alternativ soll die verpflichtende Erhebung und Verifizierung der Identität des Mobilfunknutzers vor der Aktivierung der SIM-Karte vorgenommen werden. Der Käufer kann diese dann zwar ohne Identitätsnachweis an der Verkaufsstelle erwerben; eine Nutzung der Karte ist allerdings erst nach vollständiger online Identifizierung durch den Mobilfunkanbieter oder einen vertrauenswürdigen Dritten möglich. So kann der wahrscheinliche Endnutzer des Mobilfunkgerätes ermittelt, seine Daten gespeichert und diese im Falle eines Missbrauchs oder zur Aufklärung von Straftaten genutzt werden.

Die Erhebung der Daten kann dann beispielsweise im Internet mittels moderner elektronischer Identifizierungsverfahren, per Postident-Verfahren oder weiterer geeigneter Methoden erfolgen, was vom Gesetzentwurf der Bundesregierung explizit vorgesehen ist. Dies bietet den Vorteil, dass der Nutzer nicht von aufwändigen Identifizierungspflichten innerhalb der Verkaufsstelle abgeschreckt wird und eine Diskriminierung jener Anbieter ohne eigene Ladengeschäfte vermieden werden kann. Insbesondere mit modernen elektronischen Identifizierungsverfahren kann sich der Nutzer bereits heute einfach, schnell und sicher identifizieren und dabei die ohnehin notwendige Freischaltung der SIM-Karte medienbruchfrei mit der Identitätsüberprüfung verbinden, ohne dabei Ausweiskopien an der Kasse des Handels hinterlegen zu müssen. Elektronische Identifizierungsverfahren sind schon jetzt akzeptierte Methoden zur Feststellung und Überprüfung der Kundenidentität. Allerdings ist stark zu bezweifeln, ob die Identitätsprüfungen und höheren Endkundenpreise Kundenakzeptanz in Deutschland erfahren werden. Ein Großteil der Nutzer, bspw. Schüler und Senioren, werden nicht über die für eine Online-Verifizierung erforderlichen technischen Einrichtungen verfügen oder auf preisgünstigere ausländische Angebote ausweichen.

Zudem muss selbstverständlich die Zuverlässigkeit und Sicherheit sämtlicher zugelassenen Identifizierungsverfahren gewährleistet sein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die gesetzlichen Anforderungen an zulässige Identifizierungsverfahren durch die Bundesnetzagentur in enger Abstimmung mit den betroffenen Kreisen festgelegt und ausgestaltet werden sollen. Wir unterstützen dieses Vorgehen eindringlich, denn nur so können hohe Standards implementiert und dabei unverhältnismäßige Kosten zu Lasten der Unternehmen vermieden werden, sodass deren wirtschaftliches Handeln aufgrund praxisferner Regularien nicht negativ beeinträchtigt wird.

Die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Überprüfung der Identität des Kunden bedingt die Umgestaltung zahlreicher Prozesse und vertrieblicher Abläufe sowie die Integration neuer technischer Lösungen und Schnittstellen. Dies erfordert einen nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand für betroffene Unternehmen, insbesondere für Telekommunikationsanbieter. So entstehen beispielsweise allein für jeden einzelnen Identifizierungsvorgang erhebliche Kosten pro Kunde, zuzüglich der Kosten für Implementierung und Dienstleister. Im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit sprechen wir uns daher für eine angemessene Umsetzungsfrist der gesetzlichen Vorgaben aus, die bei mindestens 18 Monaten liegen sollte.

Fazit

Eine verpflichtende Identifizierung der Käufer von Prepaid-SIM-Karten am physischen Point of Sale ist in der Praxis nicht darstellbar und würde aufgrund des zu erwartenden Mehraufwandes zu einem Verkaufsstopp durch zahlreiche Händler und schlussendlich einem empfindlichen Kundenrückgang führen. Die Einführung einer Identitätsprüfungspflicht im Prepaid-Bereich in Deutschland ist für sich allein nicht geeignet, die Sicherheit spürbar zu erhöhen. Daher unterstützen HDE und PVD die Suche nach einer europäischen Lösung, der im Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen der Vorzug vor einer deutschen Insellösung einzuräumen ist.